Friedensfest

Nun ist es vorbei. DAS Wochenende. Nazi-Festival, Gegenveranstalltung und Friedensfest. Ostritz wirkt auf dem Weg zum Bahnhof wieder ruhig und eher verschlafen. Es wird aufgeräumt. Das Zelt abgebaut und die Papierkörbe geleert. Ein einzelnes Polizeifahrzeug steht noch am Bahnhof.

Nachdem der Ort die letzten Wochen regelrecht aufgewühlt war und viel Angst und Verunsicherung herrschte, ist dies momentan nur noch in der Facebook-Gruppe angesagt. Das Wochenende ist, allen Befürchtungen zum Trotz, ruhig geblieben. Und die Polizei vermittelte ein Gefühl davon, dass sie weiß was sie tut.

Die Frage, die jetzt im Raum steht: Finden die Ostrizzer wieder zueinander oder hat das Wochenende den Ort doch mehr gespallten als gedacht?

Goldener Käfig

Wir schaffen uns immer wieder unseren eigenen goldenen Käfig. Ich ziehe gerade um und sortiere meine Sachen aus. Wie viel Zeug sich in den Jahren gesammelt hat. Wie viele T-shirts und Kleider. Dinge die ich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr benutzt habe. Und jetzt das schlechte Gewissen, sie verkaufen zu wollen. Brauch ich sie noch? Vielleicht nein, vielleicht ja. Wieso habe ich sie gekauft? Ich habe mir meinen eigenen Käfig gebaut.

Und dann die Erleichterung über jedes verkaufte Teil. Ein Stückchen mehr Freiheit. Ein Stückchen mehr Unabhängigkeit. Ordung nicht nur äußerlich.

Das gute Gefühl zu merken, dass ich mein Herz nicht mehr an Dinge hänge, sodern an Menschen, Begegnungen und Momente. Zu spüren wie gut mir wirklicher Kontakt tut und wie wenig es dafür braucht.

Generationenkonflikt

Da steh ich nun. Anfang 30. Lebe in einer WG. Habe meinen Job gekündigt und bin glücklich. Will reisen und mich endlich trauen mein Leben zu leben. Wobei ich das ja schon in vielen Teilen mache. Das Problem daran, ich kann es meiner Familie nicht zeigen.

Der Plan meiner Eltern sieht für mich einen festen Job in Vollzeit vor. Einen Mann, den ich heirate und endlich die lang ersehnten Enkel. Mist. Da prallen Welten aufeinander und Vorstellungen was ein gutes Leben ist.

Was fehlt ist Verständnis, auf beiden Seiten für den Weg und die Ziele des Anderen. Und es fehlt das Interesse, das Hinterfragen der eigenen Vorstellungen. Das sehen wollen, dass das vermeidliche Kind, nicht mehr Kind ist und seine Flügel mit aller Kraft nutzt. Vielleicht ist da auch Erschrecken darüber wie stark es geworden ist. Und vielleicht das realisieren, dass man Anteil daran hat. Vielleicht auch Stolz, dass es so ist, dies aber nicht zeigen können. Vielleicht ist da der eigene innere Konflikt, dass man selbst diese Chancen nicht hatte und früher, ganz früher ganz heimlich und leise auch von einem anderen Leben geträumt hat. Vielleicht waren die Umstände, der eigene Mut, der Rückhalt damals zu klein für die eignen Träume. Was fehlt, ist der liebevolle Blick auf die Lebensrealität des anderen.

Die Hoffnung auf Lösung dieses Konfliktes, für mich momentan sehr gering. Zu fest sind die Vorstellungen. Zu wenig wurde das Reden, sich wirklich mitzuteilen, liebevoll zuzuhören miteinander geübt. Die Chance diese alten Muster aufzubrechen besteht, aber nur wenn sich alle bewegen und es auch wollen. Muster können ja auch bequem sein und Veränderung ist anstrengend.

Herbstzeitlos

Da kommt mitten im grauen Wetter, wenn du schon an keine Blüten mehr denkst, diese eine leicht violette Blüte. Sie sieht aus wie win Krokus zur falschen Jahreszeit. Eine Herbstzeitlose. Sie kündigt für mich den Wechsel der Jahreszeit an.
Langsam beginnt sich das Laub zu färben. Die letzten warmen Sonnenstrahlen spiegeln sich in ihm. Morgens ist es schon kalt und doch noch gibt es schöne Tage. Sie werden kürzer und ihr Licht ändert sich. Es wird warm und golden. Morgens sind die Wiesen von Tau überzogen und die nun sichtbaren Spinnweben bilden auf ihnen filigrane Kunstwerke. Pilze sprießen. In ihrer Form- und Farbvielfalt begleiten sie den Herbst, der jetzt Einzug hält.
Die Bäume geben ihre Früchte frei. Kastanien,Eicheln, Bucheggern und Maronen zieren den Boden. Um den Efeu summt und brummt es. Die Luft schwirrt von den vielen Insekten, die sich am Nektar laben. Schmetterlinge sonnen sich und noch einmal sind viele Raupen zu sehen. Es ist wie ein großes Fest. Herbst.

Abendstille

Ich bin gerade im Urlaub. Auf der Hinfahrt mit dem Zug bin ich im Dunklem angekommen. Von Zug aus ist es mir schon aufgefallen. Hier ist es total dunkel. Nur an den Orten ist ein wenig Licht. Wenn ich hier abends meine Runde mit Blondi drehe ist es unglaublich still. Ist es wolkenlos können wir sooooo viele Sterne sehen. Am ersten Abend sogar einen wunderbar großen Mond. Zu der Abendstille gesellen sich die Laute der Tiere hier.

Doch die letzten Tage ist da auch etwas was mich unruhig macht. Ein Gefühl der Angst kommt in mir auf. Keine gute gute Basis, um einen Spaziergang in Dunkelheit zu machen. Wo sie herkommt? Keine Ahnung. Vielleicht ist das Wahrnehmen meiner eigenen Kleinheit, im Vergleich zu der Größe der Natur. 

Heute kam noch etwas Nebel dazu, der langsam aufsteigt. Ich mag es die Natur bei ihrer Veränderung zu beobachten, aber heute hat der Nebel eher dieses ungute Gefühl verstärkt. Von weiten bellt ein anderer Hund und steh ich mit meiner Angst des Allein seins. Mir eine alte Bekannte und doch so ungebeten in diesem Moment. Wo ist sie auf einmal hin, meine davor noch tief gespürte Verbindung zu der Natur die mich umgibt?

Klassentreffen

Jetzt ist es schon einige Tage her, das ominöse Klassentreffen. Gar nicht so einfach das Treffen in Worte zufassen. Einige habe ich das letzte Mal mit 16 Jahren gesehen. Und nun? Haben wir uns verändert? Ganz sicher. Und das nicht nur optisch. Gleichzeitig sind da die ganzen alten Vorurteile und Rollen da. Spannend, wie sich so ein Abend entwickelt. Von dem lauten „Gebrüll“ sich brüstender und revierabsteckender Männer, zu immer wieder ernsten und nachdenklichen Gesprächen. Der Versuch nicht in jede sich bietende alte Rolle rein zu springen. Und auch der Spruch sich nicht verändert zu haben. Optisch vielleicht nur wenig, innerlich mehr als viele ahnen. Und wieder ist sie da, die Rolle in die ich soll. Äh nein, danke. 

Alte Liebschaften die sich zu einem immer wieder stichelnden Gegeneinander entwickelt haben und gefühlt tausendmal die Frage wo man jetzt stecke und was man mache. Wer bin ich und wer will ich sein? Schubkästen von der klassischen Akademikerkarriere öffnen sich. Ich schiebe sie schnell wieder zu, in dem ich unverblümt von meinem WG-Leben und meiner Halbtagsstelle erzähle. Hallo Realität. Und weit weg vom Streberschubkasten… Dankbarkeit über das jetzt.

Und immer wieder das gute Gefühl mit einander eine ganz entscheidemde Zeit gegangen zu sein. Manche Greundschaften sind einfach so vertraut, obwohl wir sie nicht gepflegt haben. Andere, die gepflegt worden sind, sind kaum noch zu spüren. Schade. Und immer wieder die Chance für einen Neustart.

Sommerklänge

Wie hört sich der Sommer an? Für mich hört er sich nach Grillenzirpen, Schwalbenrufe und Wind in den Bäumen an. Dazu kommt dann noch das Geklapper des Storchenpaares hinter dem Haus und die Mähdrescher die von Weitem die ganze Nacht … Weiterlesen

Gewitter

Noch schnell eine Runde mit dem Hund. Beim Verlassen des Hauses seh ich schon dicke, dunkle Wolken über der Stadt. Es dauert nicht lange bis ein heftiges Brausen und Tösen aufzieht. Der Wind schüttelt die Bäume mächtig. Die Temperatur fällt. Es wird immer dunkler. Ich laufe schneller. Die Stimmung ist kraftvoll und unheimlig zu gleich.

Kaum stehe ich wieder an der Haustür grollt der erste Donner. Schnell rein. Im Treppenhaus steht die warme Luft. Dumpfe Mattigkeit.

Ich sitze am Schreibtisch und das Gewitter geht richtig los. Der Regen prasselt, so dass ich ihn im Schornstein höre. Blitze durchzucken den dunklen Himmel. Ich bin froh jetzt hier zu sein und beobachten zu dürfen. Trocken. Glücklich Zeuge dieses Schauspiels zu sein.

Natur

So… jetzt wohn ich mitten in der Innenstadt und vermisse die Natur und das Grüne fast jeden Tag. Und nun werde ich morgens von einem Mauersegler in meinem Fenster geweckt. Die Natur findet mich 🙂

Seit Neuestem wohnt jetzt auch ein Waschbär in dem Efeu an der Hinterhofmauer.  Und regelmäßig treff ich Eichhörnchen auf der Runde mit dem Hund. Langsam versöhn ich mich etwas mit der Stadt.

Auch wenn die Waschbären hier gar nicht so beliebt sind, sehen sie doch unheimlich niedlich aus. Zumal unser Hofwaschbär nur seinen Kopf aus dem Efeu rausgestreckt hat. Das weiß-grau des Waschbärs mit dem dunklen grün war wunderschön. Jetzt such ich ihn jeden Tag im Efeu. Leider zeigt er sich nicht.

Heimat

Manchmal ist es gar nicht so einfach den passenden Titel zu finden. Vor einer Weile war ich bei meiner Großtante. Sie ist jetzt 88 Jahre und sie hat mir Fotos gezeigt. Fotos von Besuchen bei ihr und bei uns. Dabei gab es eine Situation wo ich innerlich gestolpert bin. Sie erzählte von einem Bild von „Zu Hause“. Mhhh und da war nun meine Verwirrung. Was meinte sie denn damit?  Meine eigene Definition von zu Hause war bis vor kurzem noch: Zu Hause ist irgendwie immer da, wo ich gerade nicht bin. Ziemlich verrückt find ich.

Und für sie? Was ist da zu Hause? Sie lebt schon eine ganze Weile in Bayern. Sie ist als junge Frau, vor dem Bau der Mauer, ihrer Cousine nach Starnberg gefolgt. Dort gab es Arbeit und Wohraum. Beides war in Görlitz, wo ihr Bruder und ihre Familie nun lebte knapp. Aber weder Starnberg, noch ihren jetzigen Wohnort bezeichnet sie mit zu Hause.

Und was ist mit Görlitz? Das vermutete ich erst. Für mich schien das ganz klar, nur das kann sie meinen. Lebte doch mein Opa da und wirkte auf mich als Kind und jetzt auf den Fotos fröhlich. Doch im weiteren Gespräch merkte ich schnell, dass sie auch Görlitz nicht wirklich damit meinte. So was blieb denn dann noch?

Als Jugendliche und junge Erwachsene ist sie mit ihrer Familie vor dem Krieg geflohen. Sie lebten in der Nähe von Walbrzych (Waldenburg) auf einen Hof. Der Hof lag an einem Fluss und hatte eine Mühle und eine Glastanzdiele. Er lag relativ abseits und war für viele Menschen noch ein Zufluchtsort. Aus einem Brief weiß ich, dass die Menschen dort Schutz suchten und viel dabei beteten. Das war also der Ort ihrer Kindheit, der auch jetzt noch ihr zu Hause war, auch wenn sie dort nie wieder gelebt hatte. Es stimmt mich traurig und nachdenklich. Für mich war dieser Ort als Kind immer magisch und ich war von den Geschichten, die meine Tante erzählte fasziniert. Mein Opa hat nur wenig von seinen Erlebnissen dort berichtet. Er war jünger als meine Tante und muss zu der Zeit in etwa 16 Jahre gewesen sein, als sie flohen. Er hatte als Kind Kinderlähmung, dass war sein „Glück“, so konnte er bei seiner Familie sein.

Jetzt sitze ich hier und mich treibt die Frage um, was ist für mich zu Hause und zu Hause gleich Heimat? Ich merke bei mir hat sich in den letzten Jahren etwas verändert. Wenn ich an das Städtchen an der Ostsee denke, kommt bei mir ein zu Hause Gefühl und wenn ich dort ankomme, fühl ich mich zu Hause. Ich habe dort nur 8 Jahre gelebt und trotzdem ist es irgendwie so. Das liegt sicher an den Erlebnissen, den Menschen und meinen Freunden da. Gleichzeitig bin ich dem Ort meiner Kindheit buchstäblich entwachsen. Ich kenne die Gegend, mag sie, verbinde schöne und nicht so schöne erinnerungen mit ihr, genieße die Zeit da und gleichzeitig ist es nicht mehr dieses zu Hause Gefühl. Zumindest jetzt nicht. Es ist mehr eine tiefe Verbundenheit und Leichtigkeit auch wieder gehen zu können. Vielleicht ist das eher Heimat.

Ich lebe gerade an einem dritten Ort, der weder das eine, noch das andere ist. Ich fühle mich an dem Punkt wieder mit meiner Tante verbunden und kann diese Art der Sehnsucht nach zu Hause etwas nachfühlen.